Chronik zur Jahrestagung des Kriegsenkel e. V. 2019
Thema: Neuland – Die Qualität der Unterschiede
Chronist: Hans Bartosch
Freitag, 4.10.2019
Die Tagung wird freundlich vom Vorstand des Kriegsenkel e.V. eröffnet. Michael Schneider, Franziska Holfert, Sven Rohde und Birgit Schulz haben diese Tage möglich gemacht, nach einer mehrmonatigen, intensiven Planung. Erstmalig findet die Jahrestagung in Ostdeutschland statt. Der Ort ist markant. Nicht nur tagte vor einigen Monaten hier die Bundeskanzlerin mit den Ost-Ministerpräsident*innen; bereits der Gründer von Neudietendorf, der evangelische Graf Zinzendorf, gilt als bemerkenswerte Figur zwischen Aufklärung und Gemütsbildung, einer der ersten Akteure gegen die Sklaverei und für umfassende Menschengemeinschaft.
Wer findet sich heute zusammen? Die soziometrische Methode bringt ein wenig Licht: Mehr West- als Ostgeborene, mehr Erstgäste als Mehrfachtäter*innen. Man und frau vereinbaren das Tagungs-Du – und dass Zimbeln und Gongs verlässliche Signale von Struktur und Innehalten werden mögen, in der Dichte einer Tagungswelt.
Dann kommt schon das erste Essen. Hier zeichnet sich die Evangelische Akademie durch gute Qualität und feine Ausstrahlung aus. Wer doch alles eine solche Tagung möglich macht, einschließlich der Raumpflege und der Verwaltung…
Sebastian Heinzel übernimmt das inhaltliche Entree. Er hat in diesem Jahr seinen Dokumentarfilm „Der Krieg in mir“ fertiggestellt. Beim Münchner Dokumentarfilmfest gab es bereits einen bemerkenswerten Aufschlag.
Sebastian ist Jahrgang 1979 und westgeboren. Er träumt oft vom Krieg. So macht er sich im Laufe vieler Jahre auf die Spuren seiner Großväter. Einer war in Weißrussland und hat wie fast alle anderen Soldaten danach nicht gesprochen. Darum reist Sebastian nach Belarus, schließlich mit seinem zunächst zögerlichen Vater.
Die Begegnungen dort im Osten erschüttern, sind offenherzig und warm, die Babuschka mit der Ikonenwand genau wie die junge Regisseurin und schließlich die Besitzer der „Stalin-Line“, an welcher täglich Krieg gespielt wird in (fast) echten Uniformen und Panzern.
„Der Krieg in mir“ hat über viele Strecken Qualitäten von Tarkowskijs „Stalker“; er beobachtet fast psychagogisch den Autor und wirkt darin für den Zuschauer selber psychagogisch (im Sinne einer auf psychoanalytischen Grundsätzen aufbauenden Pädagogik). Zwischen den Gänsen und den vielfach umgegrabenen Erden Weißrusslands wird die Seele durchgeschüttelt. Und auch tief ermutigt.